Laubwald /*1

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Ich lag am Rand einer kleineren Lichtung, mein Kopf im Laub. Über mir bewegte der Wind sanft die Blätter und wehte ein paar zu mir herab, ich beachtete sie nicht. Mein Blick war auf die Grashalme gerichtet, die sich in geringem Abstand hin und her wiegten und mit den Böhen spielten. Das bekannte Geräusch gleitender Schwingen ließ sich vernehmen, ich hob den Kopf und sah grade noch, wie Cúron seine Flügel zusammen faltete und ein totes Kaninchen ins Gras fallen ließ.
»Cúron«, grüßte ich. »Irgendetwas neues? Fremde im Tal?«
»Auch einen schönen Tag wünsche ich«, antwortete der Adler. »Nein, ich habe niemanden gesehen, aber ich habe auch kaum Ausschau gehalten, verzeih.«
»Es gibt nichts zu verzeihen, wieder einmal.«
Er antwortete nicht, sondern senkte den Kopf und begann an dem Kaninchen herum zuzupfen.
»Bitte!«, protestierte ich. Er schaute auf, sein Schnabel war bereits Blut verschmiert. »Bah«, meckerte ich weiter und legte den Kopf demonstrativ so zu Seite, dass ich ihn nicht dabei beobachten musste, wie er das arme Tier filitierte. Hören konnte ich ihn aber immernoch.

Ich fuhr so heftig zusammen, dass es fast wehtat, als ein schrilles Wiehern in meine Ohren drang.
»Cúron, bitte!«, zischte ich leise, als ich mich wieder gefasst hatte. Er war vor Schreck ein paar Zentimeter in die Luft geflattert und hatte sich grade wieder nieder gelassen. Er warf mir einen Blick zu - was er bedeuten sollte, konnte ich nicht erkennen, ob es nun leichter Zorn oder Irritation war. Was auch immer, er folgte meinem Befehl und flog in die Richtung davon, aus der der Schrei gekommen war.
Genervt schwang ich mich auf in die Lüfte. Nicht einmal in Ruhe mein Mittagsmahl vertilgen, konnte ich. Vollkommen lautlos glitt ich unter dem Blätterdach einher. Nicht lange und ich hatte das Pferd gefunden. Ich kreiste ein paar Runden über der Scheckstute, sie hatte eine Narbe. Jedes einzelne Haar erkannte ich, für die Wildnis war sie ziemlich sauber. Ich schlug einmal kräftig mit den Flügel und schon war ich aus ihrem Sichtfeld verschwunden.
»Stute, Schecke, wohl eher ungefährlich«, erstattete der junge Vogel mir Bericht, während er sich vor mich setzte und dann zu seinem Kaninchen zurück kehrte. »Ich danke dir.« Leichtgüßig erhob ich mich und ging auf die Stute zu, die bereits mein Blickfeld erreicht hatte.
»Guten Tag«, begrüßte ich sie freundlich und mit einem warmen Lächeln auf den Lippen. »Mein Name ist MerceAmina.«

Ich seufzte, so schnell ließ sich die Angst der Stute nicht nehmen. Noch ein wenig angeschlagen von der Benutzung meiner Fähigkeit ließ ich mich zu Boden sinken.
»Geh oder verweile, es soll dir überlassen sein. Wir zeigen dir gerne das Tal, wenn es dir Recht ist oder erkunde es selbst. Ich möchte nur, dass du nicht unwissend gehst: Ich und Cúron gehören zu den freundlichsten Geschöpfe im ganzen Teil. Sei vorsichtig und achte auf jeden Schritt, reise nicht bei Nacht oder im Schatten, lieber auf offenen Flächen im Glanz der Sonne. Nimm dir nur wenige zum Freund, aber baue keine Feindschaft auf. Und nun brauche ich Ruhe. Geh oder verweile bei uns.« Ich legte den Kopf ins Laub und schloss erschöpft die Augen. Sofort übermannte mich Müdigkeit, aber mit Mühe blieb ich im Halbschlaf und lauschte auf die Geräusche der Stute.
Ich breitete die Schwingen aus und glitt hinauf in die Luft, als Merce sich anschickte, sich ins Laub zu legen. Neben ihr setzte auch ich mit wieder auf den Boden und legte vor der Fremden eine kleine Verbeugung hin, bevor ich mich an Amina legte und ebenfalls die Augen zufallen ließ.

Ich horchte in die Richtung der Stute und hörte, wie das Laub unter ihren Hufen brach, als sie sich etwas von uns entfernte. Dann vernahm ich das leise Knistern, als sie es unter sich begrub und den milden Luftzug, als sich wenige in Sicherheit brachten. Sie legte den Kopf nieder, wieder das gedämpfte Knacken der Blätter. Heimlich löste der Wind das Blattwerk und ein Laubregen glitt sanft hinab. Sie schwirrten um uns herum und fügten sich dann lautlos zu ihren Geschwistern am Boden.
»Oltha-le bain«, murmelte ich noch, bevor ich tief in den Schlaf sank. Ich träumte eher weniger, hörte nur die leisen, beruhigenden Melodien zwei kleiner Bäche, während ein gold-rotes und ein bläuliches Licht um mich herum tanzten. Ich schlug die Augen auf, die anderen beiden waren noch tief am Schlafen. Vorsichtig, dass Cúron nicht auf dem Boden aufschlug, stand ich auf und entfernte mich von ihnen. Ich war nicht mehr als eine Meile gegangen, als ich an den Bach kam. Ich senkte den Kopf und tauchte mit den Nüstern in das klare Wasser. Kühl glitt es meine Kehle hinunter und löschte das seichte Brennen darin vollkommen aus. Ich hob den Kopf nur knapp bis über die Wasseroberfläche und schaute mir selbst ins Gesicht. Ein paar Tropfen fielen zurück ins Wasser und kleine Wellen breiteten sich aus und schlugen bis zum Rand.

Endlich hob ich den Kopf und blickte mich zu der Stute um, sah ihr zu, wie sie sich an dem kalten Wasser erfreute und horchte auf ihre Frage.
»Ich wandle schon seit meinen ersten Tagen in diesem Tal und habe es nie verlassen. Ich liebe und lebe es, es ist mein Heim, doch es wird mir immer fremder, je weiter ich in seine Geschichte eindringe«, antwortete ich und beobachtete ihr Mienenspiel. »Und wie steht es mit dir selbst?«, entgegnete ich, senkte wieder den Kopf und rupfte hier und dort ein paar einzelne Grashalme aus dem Boden.

Vor Erstaunen weiteten sich meine Augen kurz, ich wechselte einen Blick mit Cúron, in seinem lag Respekt.
»Du warst bei Menschen? Freigelassen haben sie dich? Von so etwas habe ich nie gehört, unglaublich freundlich müssen sie gewesen sein. Ich kann es kaum glauben«, sagte ich. »Aber, erkläre, was ist ein Turnier- und Zuchtstall ... oder ein Turnierpferd?« Nun klang meine Neugierde durch, aber ich hielt sie so gut es eben ging zurück. Mich hatten Pferde, die bei den Menschen lebten, schon immer interessiert und oft stand ich oben auf einem der Berge und beobachtete die Ranch weit außerhalb des Tales.

»Gezielt verpaart?«, wiederholte ich leise. Ein langes Schweigen trat ein, während ich mir durch den Kopf gehen ließ, was ich grade erfahren hatte. Ich wollte gerne noch fragen, aus welchem Grund Pferde trainiert wurden und um welche Eigenschaften es bei dieser Zucht geht, doch ich hatte dringenderes auf dem Herzen. »Nun, weißt du, hier in der Nähe ist auch so ein ... Stall. Ich habe die Pferde und die Menschen dort beobachtet. Sie scheinen ganz gut miteinander auszukommen, weißt du? Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Menschen alle böse oder schlecht sind.«

»Du musst dich nicht alleine zurecht finden, du kannst dich liebend gerne an uns halten«, bot ich ihr an und lächelte aufmunternd. »Wir werden dir alles zeigen und beibringen und immer für Fragen zu verfügung stehen. Cúron wird dich in den nächsten Tagen begleiten, ich möchte nicht, dass du ganz alleine herum streunst, aber ich werde dir nicht immer beistehend können, bitte versteht.« Ich setzte ohne weitere Vorwarnung über den Bach hinweg und begann das frischere Gras auf dieser Seite abzuweiden. "Aber erkläre mir erst", sagte ich und hob, während ich sprach, wieder den Kopf. "Was es mit diesem Training auf sich hat. Was wurde denn trainiert?"

»Mühe dich nicht ab mit einer Erklärung. Nein, ich weiß nichts über Menschen, außer dass sie auf Pferden reiten und das, was du mir bis jetzt erklärt hast. Aber nun, woher soll ich sie kennen? Ich bin nie einem wirklich begegnet, habe sie nur von weit weg, aus sicherer Entfernung beobachtet. Es fasziniert mich, wie sie mit den Pferden umgehen, die sie ihr eigen nennen. Aber nach deiner Äußerung sind sie nicht alle, wie jene, auf der Ranch. Bei ihnen sehe ich die glückseeligen Gesichter, wenn sie auf einem Pferderücken galoppieren.« Ich wieder stand der Versuchung, was Trensen, Sättel und Halfter sind und wandte mich wieder dem Gras zu.

»Das klingt durchaus nicht sehr schön.« Andere Pferde im Tal, gute Frage. »Cúron, tir-le os, bitte.« Und er flog hinauf unter Blätterdach und davon. Ich sah ihm lange nach. »Ich habe lange kein Pferd mehr getroffen, aber das Tal ist groß und aus diesem Grund kann ich dir deine Frage nicht genau beantworten, entschuldige.« Ich hob den Kopf gen Himmel und suchte unter dem Blätterdach nach anzeichen von Cúrons Rückkehr.