Esa za lune /*1

»Bucht

Hoch erhobenem Hauptes schritt der Rappe zwischen den Bäumen hindurch, an seiner rechten Flanke verlässlich der Tiger, wenn er auch ein wenig humpelte. Ein Heulen schallte durch den Wald und der Hengst und sein Begleiter blieben aprubt stehen und lauschten weiter. Aus dem stand trabte er an, um die zwei Gefährten herum wurde es dunkel wie eine mondlose Nacht. Die große Katze rannte ein wenig vor und plötzlich war das Platschen von samtenen Pfoten in seichten Wassern zu hören. »Rohir«, zischte der Hengst. Es wurde ein wenig heller und die aufgehende Sonne beschien den See, er glitzerte und funkelte. Rohir stand mit den vorderen Pfoten nur knapp im Wasser. Nun brach die Sonne vollends durch und die Dunkelheit schwand auch aus den letzten Winkeln. Doch im selben Moment schlich der Nebel heran, trocken und warm und auch er glitzerte in der Sonne orange und gelb-golden.

Die Nebelschwaden tanzten zu einem wundervollen, schaurigen Gesang, der plötzlich die Luft erfüllte. Sie wanden und kreisten und wirbelten herum und wieder wurde die Sonne verdunkelt, die Schatten krochen aus den Ritzen und Löchern und der See lag in graus'gem Zwielicht. Aprupt brach die hohe Stimme ab, die Schatten, die mit ihr gesungen hatten, verstummten und der Nebel bewegte sich nicht mehr. Ein Knurren erhob sich, es schien von allen Seiten zu kommen, wurde von den Bäumen zurück geworfen und Rohir erwiederte es. Er hatte stand nun unter dem Hals des Rappen, vor seiner Brust. Dieser folgte seinem Blick und erfasste die junge Stute und ihren Wolf im selben Augenblick. Er wandte sich um, so dass er neben dem Tiger stand. »Ruhe, Rohir«, befahl er mit ruhiger Stimme. »Guten Morgen, junge Dame. Was führt euch hierher, an diesen mystischen Ort in dieser Stunde des morgendlichen Grauens?« Grauen, das war es für ihn, der Tag brach an und die wohltuende Dunkelheit der Nacht hatte ein Ende. Doch hier und heute ließ er das nicht mit sich geschehen, es blieb bei dem düsternen Zwielicht.

»Nun, natürlich geht es mich nichts an, da habt Ihr ganz Recht. Eure Machenschaften, junge Dame, gehen mich so wenig an, wie Euch mein Name. Trotzdem sollt Ihr ihn kennen, man nennt mich Dúath, Cruorssohn. Ich selbst habe kein Ziel auf meiner Reise, so werde ich eine Weile hier bleiben. Nun wisst Ihr einiges über mich, darf Ich nun Euren Namen wissen?« Er war höflicher als normaler Weise, denn, obgleich diese Stute nun noch sehr jung war, sie war klug und verschaffte sich einen gewissen Respekt - nicht bei dem Rappen und auch nicht bei seinem Begleiter Rohir, aber bei jedem anderen auf jeden Fall. Um seine Hufe spielten die Schatten, krochen an seinen Beinen hoch, schlängelten und rankten sich mit sanften Druck.

Der Rappe bewegte sich nicht, schaute nur in die Richtung, in welche das die Stute gegangen war und antwortete. »Entschuldigt, aber bisher ist mir keine so junge Stute begegnet, die der Art faszinierend war. Bitte verzeiht, wenn ich nun versuche Euch einzuschätzen.« Die Schatten waren nun bis zur Hälfte seine Halses vorgedrungen und versteckten sich dort in seiner Mähne. Der Rest seines Körpers war nun nur noch ein einziger, wabernder Schatten. Er schüttelte sein Haar, um sie zurück zu treiben, langsam wichen sie bis zu den Hufen zurück und umkreisten wieder seine Beine. Den Nebel hatte er nun auch wieder im Griff, er ließ ihn dichter und dunkler werden, unter seinen Hufen strömten die Schatten hervor und vermischten sich mit dem Nebel, bis er dunkel war wie der See und kein Strahl des Sonnenlicht mehr hindurch drang. Er genoss die Dunkelheit wie eh und je.

»Nein, dies hatte mir nicht vergönnt sein sollen. Aber vielen Dank, dass Ihr mir geholfen habt. Ich habe bereits eine ganze Weile mit dem Gedanken gespielt, dass Ihr auf jeden Fall übernatürlich seid, aber ein Dämon - da wäre ich nicht so schnell drauf gekommen.« Der Rappe drehte sich nun halb zu der Stute um. »Ich kann Nebel und Schatten kommen und gehen lassen wie es mir beliebt. Aber Ihr seid stark für euer junges Alter, es wird mir bald Kraft rauben, euren Nebel unter meine Kontrolle zu bringen, wenn ihr stärker werdet.« Schon jetzt musste er sich konzentrieren, seine Schatten vertrugen sich nicht gut mit dem fremden Nebel und wollten sich immer wieder von ihm lösen und zu ihrem Herrn zurück kehren.

Unwillkürlich spielten die Schatten wieder mit der Stimme der Stute, der Rappe konnte sie kaum im Zaum halten. Die Schatten an seinen Füßen schlängelten sich schneller in seiner unterdrückten Wut und krochen wieder bis zu seinem Bauch, bevor er sie zurück schickte. »Ich weiß gar nichts über den See.« Nun war seine Stimme rau. Widerspenstig drückten die Nebel sich vor seinem Willen. Er schloss die Schatten enger darum und nun war es um sie herum dunkel wie eine mondlose Nacht - nicht mehr und nicht weniger. Er selbst konnte nicht mehr bis zum anderen Ufer des Sees blicken. Rohir knurrte.

Dúath warf ihr einen verärgerten Blick zu, sprach aber beherrschter als zuvor. »Woher weißt du davon, Rohir?« Dieser schaute kurz den Rappen an, dann wendete er den Blick zum See hin, bevor er antwortete. »Als ich mit den Pfoten ins Wasser kam, schloss sich meine Wunde sofort.« Dann verstummte er wieder und es sah nicht so aus, als ob er noch einmal etwas sagen wollte. Er beobachtete den Wolf und jede seiner Bewegungen.

Fasziniert - auch wenn er dies nie zugeben würde - lauschte er dem Lied der Stute. Als sie zum Ende gekommen war, sprach er. »Dann ist es wohl nun an der Zeit für mich zu gehen, nicht wahr?« Er ließ es zu einer Frage ausklingen, eigentlich wollte er nicht gehen. Es war mal etwas anderes, die Nebel zwingen zu müssen, unter seinem Willen zu bleiben. Er lichtete den Nebel. Wolken zogen an der Sonne vorrüber, dicht und schwarz. Ein Gewitter war nicht weit entfernt.

Der Rappe blieb und beobachtete die Tropfen, die ins Wasser fielen und kleine Wellen schlugen. Ihm gefiehl es, dass die junge Dame nicht wollte, dass er ging. Er wäre so wie so nicht gegangen, trotzdem war ihre Reaktion äußerst interessant. Der Tiger blickte wütend zum Himmel, als wollte er ihn für den Regen bestrafen. Dann tapste er unter den nächsten Baum und ließ sich dort nieder, mit dem Kopf auf den Pfoten. Der Hengst jedoch ließ den Nebel vollkommen frei und scheuchte die Schatten zurück unter seine Hufe. Er streckte das Gesicht gen Himmel und genoss den kalten Regen, während seine Ohren sich dem Donner zudrehten. »Und was gedenkt Ihr nun zu tun?«, fragte er und blickte sie nicht an, sondern schloss die Augen.

»Es sind nicht nur meine Schatten die gefürchtet werden, es sind meine Stimme, mein Atem, das Donnern meiner Hufe« - und während er das sagte rollte ein weiterer Donner über sie hinweg. » - und mein Dasein.« Wieder kringelten die Schatten unter seinen Hufen hervor und schlängelten um seine Beine herum, er liebte diese kalten Berührungen, doch der Regen ließ sie verblassen. »Nein, sie sind selten frei, denn ich bevorzuge es, verdeckt zu bleiben, aber auch dafür habe ich lieber den Schatten. Behalte deinen Nebel - fürs erste -, die Dunkelheit ist effektiver.«